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Hunderte User haben Ende März 2022 auf Facebook einen Text geteilt, wonach die russische Zentralbank angekündigt habe, die russische Währung Rubel an Gold zu koppeln. Durch den sogenannten Goldstandard habe Russland den Wert des US-Dollars um etwa dreißig Prozent gedrückt. Die russische Regierung hat jedoch nicht angekündigt, den Rubel an Gold zu koppeln. Die russische Zentralbank hat lediglich mitgeteilt, wieder Gold kaufen zu wollen, was für Zentralbanken übliche Praxis ist. Ein Finanzexperte erklärte gegenüber AFP, dass die Zentralbank Gold zu einem festen Kurs verkaufen müsste, damit die Währung an Gold gebunden werden könne.
Hunderte Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer haben Ende März 2022 die Goldstandard-Behauptung geteilt (hier, hier). Auf Telegram erreichte der Text Hunderttausende.
Die Behauptung kursierte auch auf Finnisch und wurde von AFP bereits hier geprüft.
Die Behauptung: In den Facebook-Beiträgen heißt es fast wortgleich: "Die russische Zentralbank hat offiziell angekündigt, dass die russische Währung, der Rubel, ab dem 28. März 2022 an Gold gebunden sein wird. Die Rate beträgt 5.000 Rubel pro Gramm Goldbarren." Weiter rechnen die User vor, dass eine 28 Gramm schwere Unze Gold somit 1400 Dollar wert sei, statt 1,92 Dollar. "Russland hat gerade weltweit etwa dreißig Prozent (30%) des Werts des US-Dollars in Goldbarion ausgelöscht", heißt es schließlich.
Screenshot der Behauptung auf Facebook: 04.04.2022
Was ist der Goldstandard?
Die Bindung einer Währung an Gold wird "Goldstandard" genannt. Dabei wird die Währung eines Landes mit einem Festpreis an Gold gebunden. Die Notenbank erklärt sich bereit, das Geld jederzeit in einen festen Goldwert umzutauschen. Dieses System war im 19. und frühen 20. Jahrhundert in vielen Ländern der Welt in Kraft, wurde aber inzwischen abgeschafft.
Der Reiz besteht darin, dass die in einem Land physisch vorhandene Goldmenge als Grenze für die Geldausgaben fungiert und die Währung so vor Inflation schützt. Im 19. und 20. Jahrhundert stützten viele Länder, darunter Großbritannien und Deutschland, ihre Währung mit dem Goldstandard. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Bretton-Woods-Abkommen von 1944, das vorsah, den Dollar in den Vereinigten Staaten auf 35 Dollar pro Goldunze festzulegen. Die Inflexibilität des Goldstandards bedeutete jedoch, dass die Geldpolitik nicht in der Lage war, auf Rezessionen und Booms zu reagieren, sodass die meisten Länder dieses System im 20. Jahrhundert abschafften.
Gibt es eine solche Ankündigung der russischen Zentralbank?
Die russische Zentralbank hat am 25. März 2022 eine Pressemitteilung auf ihrer Internetseite veröffentlicht. In dieser erklärte sie, ab dem 28. März bis zum 30. Juni 2022 Gold zu einem Festpreis von 5000 Rubel pro Gramm bei Kreditinstituten einkaufen zu wollen. Das solle den inländischen Edelmetallmarkt ausgleichen und ein reibungsloses Funktionieren der Goldindustrie im laufenden Jahr ermöglichen.
Die Behauptung, dass dies bedeute, dass Russland nun zum alten System, dem Goldstandard, zurückgekehrt sei, stützt die Pressemitteilung nicht. Am 31. März 2022 erklärte Elias Rantapuska, Professor für Finanzen an der Aalto-Universität in Finnland, in einer E-Mail an AFP, dass Zentralbanken "ständig Gold kaufen und verkaufen".
Nach Angaben des World Gold Council haben die Zentralbanken im Jahr 2020 elf Jahre in Folge Gold gekauft.
Rantapuska zufolge muss die Zentralbank einen festen Wechselkurs zwischen Währung und Gold garantieren, damit eine Währung an Gold gekoppelt werden kann. "Goldstandard bedeutet, dass die Zentralbank verspricht, eine Währung zu kaufen und im Gegenzug Gold zu einem festen Kurs abzugeben. Hier verspricht die Zentralbank, Gold zu kaufen und im Gegenzug Geld zu geben", erklärte Rantapuska weiter.
Das bestätigte Iikka Korhonen, Forschungsleiter am Institut für Schwellenländer der Bank of Finland in einer E-Mail an AFP vom gleichen Tag: "Der Rubel ist nicht an das Gold gekoppelt. Ein Goldstandard würde bedeuten, dass jeder seinen Rubel zu einem von der Zentralbank festgelegten Preis unbegrenzt in Gold umtauschen könnte. Das ist nicht der Fall."
Russische Goldkäufe drücken den US-Dollar-Wert nicht um dreißig Prozent
Rantapuska nannte die Behauptung, dass die Entscheidung der Zentralbank den Wert des US-Dollars um etwa dreißig Prozent senke, "irrsinnig". Er schrieb: "Eine mittelgroße Volkswirtschaft wie Russland kann den Devisenmarkt nicht nachhaltig destabilisieren, indem sie verspricht, Gold zu einem festen Kurs zu kaufen – nur eine vertrauenswürdige Zentralbank kann mit ihrer Ankündigung eine Marktreaktion hervorrufen, und die russische Zentralbank genießt nicht wirklich das Vertrauen von irgendjemandem."
Tatsächlich verlor der Rubel nach dem 24. Februar, dem Beginn der Invasion in der Ukraine, rund 70 Prozent seines Wertes und erreichte erst am 31. März beinahe wieder sein Vorkriegsniveau. Der Dollar hingegen blieb im Vergleich zu anderen Währungen weitgehend stabil.
Korhonen schrieb zu der Behauptung: "Kein Land hat seit mehr als vier Jahrzehnten einen Goldstandard oder etwas Ähnliches eingeführt. Es wäre schwer vorstellbar, dass eine solche Maßnahme für Russland Sinn machen würde."
Heutiges System: Fiatgeld
Die heute üblichen Währungssysteme werden als Fiat-Geld bezeichnet, welches sich auf das lateinische Wort "fiat" für "entstehen" bezieht. Bei diesem System basiert der Wert einer Währung nicht auf einer physischen Ware wie etwa Gold, sondern kann stattdessen auf den Devisenmärkten schwanken. Gegner des Fiat-Systems kritisieren, dass dieses System den Zentralbanken eine größere Kontrolle über die Wirtschaft gibt, da sie kontrollieren, wie viel Geld gedruckt wird.
Fazit: Die Behauptung, die russische Zentralbank habe die russische Währung an einen festen Goldpreis gebunden und so den Wert des US-Dollars um 30 Prozent gedrückt, ist falsch. Die Zentralbank gab lediglich an, für einen kurzen Zeitraum Gold zum Festpreis kaufen zu wollen. Finanzexperten erklärten gegenüber AFP, dass das für Zentralbanken üblich und die Behauptung falsch ist.
7. April 2022 Korrektur, 07.04.2022: Tippfehler im Teaser korrigiert
Author: Andrew Dean
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